Gewaltprävention
an der HHS
1.
Ursachen von Gewalt an Schulen allgemein
Zahlreiche
Studien zeigen, dass sich gewalttätiges Verhalten nicht auf eine
einzelne
Ursache zurückführen lässt. Man geht vielmehr davon aus, dass an
der
Entwicklung von gewalttätigem Verhalten verschiedene Ursachen bzw.
Entstehungsbedingungen
beteiligt sind, die in ihrem Zusammenwirken die Entwicklung
von
gewalttätigem Verhalten begünstigen. Kommen bei einem Kind oder
Jugendlichen
mehrere solcher ungünstiger Bedingungen zusammen, so erhöht sich
die
Wahrscheinlichkeit, dass der Betreffende ein von aggressivem und gewalttätigem
Verhalten
geprägtes Verhaltensmuster entwickelt.
In
den vergangenen Jahren konnten im deutschen Sprachraum u. a. die folgenden
Bedingungsfaktoren
für gewalttätiges Verhalten in Studien identifiziert werden
(Schäfer
& Korn, 2001; Pfeiffer & Wetzels, 1999, Funk & Passenberger, 1997):
a)
Familie
Gewalttätiges
Verhalten der Eltern
Niedriger
sozioökonomischer Status der Eltern (Arbeitslosigkeit etc.)
Inkonsequentes
Erziehungsverhalten
b)
Hoher Leistungsdruck, geringer Leistungsstand bzw. Leistungsversagen der Kinder Langeweile und Unterforderung.
Schlechtes "Schulklima" (gestörte Lehrer-Schüler-Beziehung, wenig kollegialer Umgang zwischen den Lehrern etc.).
Schlechtes "Klassenklima" ( schlechtes Verhältnis der Schüler der Klasse, starke Cliquenbildung innerhalb der Klasse, Ausgrenzung von Klassenkameraden, schlechter sozialer Umgang der Schüler untereinander).
Gefühle der Normlosigkeit und der inneren Distanz zu schulischen Wertestrukturen, mangelnde Identifikation mit der Schule, Gefühl der Fremdbestimmung.
Enge und unpersönlich gestaltete Räumlichkeiten und Pausenflächen.
c)
Persönlichkeit
Hoher
Stimulationsbedarf
Niedrige
Frustrationstoleranz
d)
Sonstiges
Gewalttätige
Peer Group (Gleichaltrigengruppe)
Sozialer
Druck
Unzureichende
soziale Integration
Einflüsse
der Medien
2.
Sozialer Hintergrund der Schülerschaft
Die
HHS liegt in Moordorf/Südbrookmerland und damit in einem sozialen Brennpunkt.
Die Arbeitslosigkeit ist überdurchschnittlich hoch, an unserer Schule empfangen
ca. vierzig Prozent der Familien Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch.
Durch
ihren Status als Förderschüler/innen und ihre sozio-ökonomische
Benachteiligung haben die Kinder und Jugendlichen eine Außenseiterposition in
der Gesellschaft mit sehr geringen Aussichten auf einen adäquaten Ausbildungs-
oder Arbeitsplatz.
Unsere
Schülerinnen stammen häufig aus kinderreichen (Patchwork-)Familien, in denen
Bezugspersonen und auch die Wohnungen häufig wechseln. Viele Eltern sind sozial
benachteiligt und verfügen über ein geringes Bildungsniveau, dadurch entsteht
häufig häusliche Vernachlässigung, die sich auch auf das Schulleben auswirkt.
Familien- und Nachbarschaftskonflikte werden oft in der Schule ausgetragen.
In
einigen Familien besteht eine Suchtproblematik, besonders in Hinblick auf
Alkohol und Zigaretten. Unsere Schülerinnen erleben dies bei ihren Eltern oder
konsumieren Suchtstoffe schon selbst, so dass sich früh Abhängigkeiten
ausbilden.
Ähnlich
verhält es sich mit Gewalterfahrungen, Schüler/innen werden Opfer und Täter
von Gewalt sowohl im familiären und Freizeitbereich als auch an der Schule. Die
Gewalterfahrungen reichen von verbaler und körperlicher Gewalt bis hin zu
sexuellem Missbrauch. Einige Schüle/rinnen sind bereits kriminell auffällig
geworden und polizeilich bekannt.
Es
gibt in Südbrookmerland nur wenig kommunale Unterstützung und kaum
Freizeit-angebote für diese Zielgruppe. Selbst die wenigen vorhandenen
Freizeitmöglichkeiten sind meistens nicht passend für unsere Schülerinnen mit
ihren spezifischen Problemen.
Viele
unserer Schüler weisen neben dem Förderbedarf im Schwerpunkt Lernen auch
Defizite in anderen Bereichen (Sprache, Motorik) sowie Störungen in der sozial-
emotionalen Entwicklung und psychische Störungen auf.
3. Ausgangsituation 2002
Anfang 2002 mussten sich drei Schulen, die
Grundschule Moordorf, die Astrid Lindgren Schule und die Schule für Lernhilfe
Moordorf unser jetziges Schulgelände teilen. In allen drei Schule fehlten
allgemeine Unterrichts- und Fachräume. Das Mobiliar war veraltet und die
Gestaltung der Unterrichtsräume wenig ansprechend. Auf dem viel zu engen und
schlecht gestalteten Schulgelände kam es in den Pausen ständig zu Konflikten
und Gewalttätigkeiten.
Anfang 2002 wurden in Zusammenarbeit mit
Landkreis, Gemeinde und den betroffenen Schulen beschlossen, dass die
Grundschule einen Neubau erhält und verlegt wird. Die Schule für Lernhilfe
sollte das jüngere Grundschulgebäude erhalten, ein maroder Plattenbau würde
abgerissen, der Schulhof vergrößert und begrünt.
Zugleich wurde beschlossen, an der Schule für
Lernhilfe das Prävention- und Integrationsprojekt (PRINT) des Landes
Niedersachsen anzusiedeln und so Sozialarbeit an der Schule zu etablieren.
Das PRINT – Projekt starte Ende 2002 mit der
Einführung von Sozialtrainings in den Klassen, Streitschlichtung und der
aktiven Pausengestaltung unter Beteiligung von Schülern als Pausenhelfer (Spielekiste).
Mitte 2005 konnte das ehemalige Grundschulgebäude
übernommen werden, gleichzeitig erhielt die Schule einen neuen Namen - Hinnerk
Haidjer Schule – Förderschule Lernen. Die Astrid Lindgren Schule erhielt 2007
einen Erweiterungsbau.
4. Situation 2007 - Präventionskonzept
a)
Räumlichkeiten
Die Schule verfügt jetzt über 11 modern möblierte
und farblich ansprechend gestaltete Klassenräume, gut ausgestattete Fachräume
in den Bereichen Textil, Kunst, Werken, Hauswirtschaft, Musik und Computer
(Naturwissenschaft wird noch erneuert). Eine Schülerstation mit Cafeteria,
Leseraum, Ruhezone, Besprechungszimmer, Computerzone, Kiosk und ein Büro für
den Sozialarbeiter.
b) Schulhof
In Kooperation mit dem PRINT-Projekt und dem
Nachfolgeprojekt NIKO (Niedersächsisches Bildungs- und Kooperationsprojekt)
wurde der Schulhof unter Beteiligung der Eltern und der Schüler neu gestaltet.
Kletterwand, Tischtennisplatte, Fußballtore, ein Sandsack und eine
Basketballanlage stehen zusätzlich zum Spielplatz zur Verfügung. Eine Teilfläche
wurde begrünt.
Geplant sind die Schaffung eines Verkehrsübungsplatzes,
Anschaffung von Gokarts, Gestaltung eines Klassenzimmers im Grünen sowie das
Aufbringen von Hüpfspielen auf der Asphaltfläche.
c) Pausengestaltung
In Zusammenarbeit mit PRINT – NIKO verfolgt die
Schule ein Konzept der aktiven Pausengestaltung, wobei die Schüler zahlreiche
Aufgaben als Pausenhelfer und damit auch Verantwortung übernehmen.
Am Schulkiosk können die Schüler in den Pausen
ein gesundes Frühstück und Getränke erwerben – Eltern und Schüler helfen
hier aktiv mit.
Spiele und Sportgeräte können gegen Vorlage des
Spielausweises ausgeliehen werden – dies wird von den Schülern bereits
weitgehend selbstständig organisiert.
In der Pausenhalle stehen Fußballkicker zur Verfügung,
den die Schüler nach einem Belegungsplan nutzen können.
Gelegentlich wird eine Pausenliga ausgespielt –
die Klassen spielen Fußball oder Basketball gegeneinander.
In beiden Pausen können
sich die Schüler in der Cafeteria aufhalten und nach Anmeldung Billard spielen
oder am Computer arbeiten. Auch hier wird mit einem Wochennutzungsplan für die
entsprechenden Klassenstufen gearbeitet.
d) Nachmittagsangebote
An drei Tagen in der Woche (Montags bis
Mittwochs) wird das „offene Schülercafe“ ab 11.30 Uhr angeboten. Die Schüler
haben die Möglichkeit sich hier nach dem Unterricht zu treffen, Musik zu hören
und die zahlreichen Spielmöglichkeiten zu nutzen. Neben dem Niko-Projektleiter
steht eine Projektstudentin der Fachhochschule für Sozialwesen und eine
Tagespflegemutter für die Belange der Schülerinnen und Schüler bereit.
Ab 13 Uhr wird ein Mittagstisch für maximal fünfzehn
Schüler angeboten. Der Kostenbeitrag beträgt 1,- € pro Mittagessen. Bei der
Essensplanung wird auf gesunde und vornehmlich
saisonale und regionale Kost geachtet.
Im Anschluss an das gemeinsame Mittagessen können
die Schüler mit der Hilfe von Honorarkräften, Projektstudenten und
Praktikanten ihre Hausaufgaben erledigen. Danach besteht die Möglichkeit am
Spielprogramm bis 15.30 Uhr teilzunehmen.
Viele der teilnehmenden Schüler wurden zudem in
Sportgruppen der Sport- und Gesundheitsgemeinschaft Moordorf e.V. vermittelt.
Die SG Moordorf ist ein Produkt des ehemaligen PRINT-Projektes in Kooperation
mit den Moordorfer Schulen und Fachleuten der psychosozialen Versorgung
(Ergotherapeuten, Sozialarbeiter, Erzieher, Lehrkräfte usw.).
e) Elterncafe
Um den regelmäßigen
Kontakt mit den Eltern zu fördern wurde durch das NIKO-Projekt in Kooperation
mit der Schule das Elterncafe gegründet. Interessierte Eltern treffen sich hier
einmal in der Woche, um sich in gemütlicher Atmosphäre bei Kaffee, Tee und
Kuchen Informationen zu holen und Erziehungsfragen zu besprechen. Der
Themenkatalog beinhaltet Fragen nach dem Umgang mit Alkohol, Zigaretten, Drogen,
der Pubertät, Rechtsradikalismus, den neuen Medien, der Gestaltung von
Kindergeburtstagen, Problemen bei den Hausaufgaben und vieles mehr. Leider kann
bisher nur 6% der Elternschaft für diesen Kreis mobilisiert werden. Da dieses
Angebot aber noch sehr neu ist, besteht die Hoffnung, dass sich die
Teilnehmerzahl noch steigern lässt. Ziel des Angebotes ist es, schulische und häusliche
Regeln abzugleichen um für die Schülerinnen und Schüler ein durchschaubares,
gleichermaßen akzeptiertes Wert- und Normensystem darstellen zu können. Die
Erfahrungen zeigen, dass gravierende Unterschiede in der Erziehung zu Hause im
Gegensatz zu den Erziehungszielen in der Schule Verhaltens- und
Kooperationsprobleme mit sich bringen, kurz gesagt die sozialen
Kommunikationsprobleme verschärfen.
Für spezielle schulische Fragen steht der
Schulleiter den Eltern bei Bedarf zur Verfügung. Er nimmt auf Wunsch der Eltern
am „Cafe“ teil.
f) Systematisches Antiaggressionstraining
Die Schüler sollen in allen Alters- und
Klassenstufen systematisch auf den Umgang mit Aggressionen und Konflikten
vorbereitet werden und angemessene Strukturen und Strategien erlernen.
In Klasse 1 und 2 arbeitet die Schule mit
FAUSTLOS I (Kindergartenversion)
In Klasse 3 und 4 folgt FAUSTLOS II
(Grundschulversion)
FAUSTLOS
ist ein für die Arbeit im Kindergarten und in der Grundschule entwickeltes
Curriculum zur Prävention von aggressivem und gewaltbereitem Verhalten bei
Kindern. Es basiert auf entwicklungspsychologischen Befunden zur
sozial-emotionalen Entwicklung von Kindern.
FAUSTLOS vermittelt alters- und entwicklungsadäquate
soziale Kenntnisse und Fähigkeiten in den Bereichen Empathie, Impulskontrolle
und Umgang mit Ärger und Wut. Diese drei Bereiche bzw. Einheiten sind in
Lektionen unterteilt, die aufeinander aufbauend unterrichtet werden.
In Klasse 5 und 6 werden Sozialtrainings
teilweise unter Anleitung des NIKO - Sozialarbeiters durchgeführt. Außerdem übernehmen
die Schüler jetzt Helfertätigkeiten in den Pausen und damit Verantwortung.
In Klasse 7, 8 und 9 werden geeignete Schüler in einer Arbeitsgemeinschaft zu Streitschlichtern ausgebildet. Die Streitschlichter haben einen eigenen Raum und stehen in jeder Pause als Berater und Schlichter bei Konflikten zur Verfügung.
Zusätzlich werden in schwierigen Fällen Mediationsgespräche durch geschulte Lehrkräfte oder den Sozialarbeiter durchgeführt
g)
SV-Arbeit – Schülerkonferenzen
Großer Wert wird
an der Hinnerk-Haidjer-Schule auf die Beteiligung der Schülervertreter am
Schulgeschehen gelegt. Die gewählten Klassensprecher/innen und ihre Verteter/innen
treffen sich monatlich um wesentliche schulische Belange zu besprechen. Federführend
stehen ihnen zwei Lehrerinnen und der Niko-Sozialarbeiter zur Seite. Aus diesem
Kreis heraus wird auch die in jedem Quartal stattfindende Schülergesamtkonferenz
organisiert. Diese Konferenz wird von den Schülervertretern gestaltet und
geleitet. Diese Form der Partizipation hat zur weiteren Identifikation der Schüler
mit ihrer Schule geführt. Die notwendige Verantwortungsübernahme bzw.
Verantwortungsübertragung ist eine weitere wichtige Schlüsselqualifikation
auch für die Zukunft der Einzelnen.
h)
Schulordnung – Klassenordung – Erziehungsmaßnahmen
Die im Jahre 2003 mit den Schülern erarbeitete Schulordnung beinhaltet klare Verhaltensregeln für den Unterricht, die Pausen und den Umgang miteinander. Diese Schulordnung wird regelmäßig (mindestens jährlich) mit den Schülern besprochen und durch eigene Klassenregeln ergänzt.
Bei Verstößen reagieren die Lehrkräfte sofort indem Gespräche mit dem Schüler und / oder den Eltern geführt werden. Erziehungsmaßnahmen, wie Wiedergutmachungs-leistungen, zeitweiliger Ausschluss von Helfertätigkeiten oder besonderen Schulveranstaltungen, Nachsitzen oder schriftliche Sonderarbeiten werden in Absprache mit den Eltern bei wiederholten oder schwerwiegenden Verstößen ergriffen. Bei Streitigkeiten werden Streitschlichtung und Mediationsgespräche angeboten.
i)
Zusammenarbeit mit Erziehungsberechtigten
–
Erziehungsmaßnahmen
Die Schule hält es für wichtig mit den Eltern über Erziehungsziele und –maßnahmen in einen ständigen Dialog zu treten und „gemeinsam an einem Strang zu ziehen“. Leider ist dies nicht immer möglich, da ein Teil der Elternschaft nur geringes Interesse zeigt oder konträre Erziehungsstrategien verfolgt.
j)
Konferenzen – Ordnungsmaßnahmen – Helferkonferenzen
Bei sehr schweren oder wiederholten Regelverstößen werden Ordnungsmaßnahmen nach § 61 Niedersächsisches Schulgesetz durchgeführt. Dabei werden nach Möglichkeit und bei Bedarf auch externe Berater hinzugezogen wie Therapeuten, Mitarbeiter des Jugendamtes oder der Erziehungsberatungsstelle u. a., um gemeinsam nach pädagogischen Interventionsmöglichkeiten zu suchen.
k)
Zusammenarbeit Jugendamt –
Polizei
Die Schule arbeitet mit dem Jugendamt zusammen, insbesondere dann, wenn das Jugendamt einen Teil des Sorgerechts wahrnimmt, wenn Eltern dies wünschen oder wenn der Verdacht besteht, dass Eltern ihre Pflichten vernachlässigen.
Bei strafmündigen Schülern erstattet die Schule in schweren Fällen wie Körper-verletzung, Diebstahl, Erpressung etc, Anzeige bei der Polizei.
Im präventiven Bereich muss die Zusammenarbeit mit der Polizei noch entwickelt und erarbeitet werden. Hierzu sind gemeinsame Dienstversammlungen geplant, um Projekte mit den Themen Gewalt, Drogen, Jugendkriminalität, Rechtextremismus etc. zu gestalten und nach konkreten Kooperationsmöglichkeiten zu suchen.
V.i.S.d.P.Die Schulleitung der Hinnerk Haidjer Schule